Corona – eine außergewöhnliche Belastung

 

Was macht die Pandemie mit unserer Psyche?

 

 

Seit bald einem Jahr beherrscht sie unser Leben – den Alltag, unsere Gedanken und vor allem unsere Gefühle: die Corona-Pandemie. Sie macht vor allem Angst, und die trifft uns gleich mehrfach. Furcht vor einer Ansteckung und Erkrankung, Sorge um unsere Angehörigen, Angst um unseren Arbeitsplatz und die Existenz. Dazu kommt die anhaltende Unsicherheit, wie sich die Pandemie entwickeln wird, ob die Welt sie überhaupt in den Griff bekommt. Trotz Lockdown weiter steigende Infektionszahlen und immer wieder neue Maßnahmen und Regeln erzeugen ein Gefühl von Macht- und Hilfslosigkeit. Und vor allem das Distanz Halten, die Isolation belasten uns, denn wir sind nun mal soziale Wesen. Experten warnen daher vor den psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

 

Die gute Nachricht: Entgegen der Erwartungen konnten weltweite Studien bisher kaum belegen, dass die Zahl psychischer Neuerkrankungen durch die Covid-19-Pandemie ansteigt. Das berichtet Prof. Dr. med. Martin Driessen, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Evangelischen Klinikum Bethel (EVKB). Auch im klinischen und ambulanten Bereich des EVKB ist insgesamt kein Corona-bedingter Anstieg festzustellen. Auf Menschen, die durch eine psychische Erkrankung vorbelastet sind, hat die Pandemie aber durchaus deutliche Auswirkungen, so Professor Driessen. „Die soziale Isolation, die Ängste, die Ungewissheit, Arbeitsplatzverlustängste – das alles belastet diese Menschen natürlich besonders, weil sie durch die Krankheit schon belastet sind.“ So kann es bei ihnen zu einer Verstärkung der Symptome kommen, unabhängig von der Art der psychischen Erkrankung. Wenn dazu durch den Lockdown die familiäre, soziale und professionelle Unterstützung weg fällt, verschärft sich die Situation weiter. Etwa durch eine zunehmende Vereinsamung, die vor allem für Depressive ein Desaster ist.

 

Auch wenn es im EVKB bisher nicht zu einem signifikanten Corona-bedingten Anstieg der Patienten gekommen ist, ist die Situation auf den Stationen jetzt für alle belastender. Mit ganz wenigen Ausnahmen dürfen die Patienten keinen Besuch erhalten, und natürlich sind auch hier Umarmungen nicht angeraten, was insbesondere für psychisch schwerkranke Menschen problematisch ist. Dazu kommen die immer neuen Corona-bedingten Regeln „Die ständig neuen und wechselnden Maßnahmen, die notwendig sind gerade im Krankenhaus, wo strenge Regeln gelten müssen - das ist belastend, weil wir unsere Mitarbeiter ständig auf neue Situation einstellen müssen, das raubt einfach viel Kraft und Zeit“. Zum Beispiel an Demenz oder akuter Psychose erkrankte Menschen verstehen nicht, wieso sie Abstand halten und eine Maske tragen müssen. So muss das Personal ständig für eine Balance zwischen menschlicher Nähe und Sicherheit sorgen. Und die Sorge, sich selbst und die Angehörigen anzustecken, belastet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich, auch den Chef der Klinik.

 

Noch wissen wir nicht, wie die Zukunft aussieht. Denn die psychischen Auswirkungen der zweiten Corona-Welle werden sich wahrscheinlich erst im ersten und zweiten Quartal des nächsten Jahres zeigen. Vor allem bei an Covid-10 Erkrankten erwartet Professor Driessen langfristige psychische Folgen. „Die Gruppe der Infizierten, die körperlich schwer erkrankt sind, vielleicht sogar auf der Intensivstation beatmet wurden – das geht ja an keinem Menschen spurlos vorüber. Und da kann man sich schon vorstellen, dass da alle möglichen Belastungssymptome auftreten“. Der Mediziner glaubt jedoch, dass diese Patienten überwiegend gut ambulant aufgefangen werden können.

 

Der erneute wesentlich längere Lockdown belastet aber auch gesunde Menschen nochmal stärker. Daher sollten wir möglichen psychischen Problemen vorbeugen, so Chefarzt Professor Driessen. „Das Wichtigste ist glaube ich, nicht in die komplette soziale Isolierung zu gehen, sondern unter den gegebenen Umständen über die Medien, über Zoom oder WhatsApp oder das ganz normale alte Telefon einfach Kontakt zu halten, sich auszutauschen mit Menschen, sich nicht nur auf sich selber zurückzuziehen, denn dann wird in der Regel eher alles schlimmer.“ Wir alle sind durch die Krise mehr oder weniger belastet und das sollten wir uns zugestehen und wenn nötig auch professionelle Hilfe annehmen. Zum Beispiel mit einem Anruf bei der psychiatrischen Ambulanz des Evangelischen Klinikums. Denn gerade jetzt ist es wichtig, auch mental und seelisch gesund zu bleiben!